Bibtex

@InCollection{,
  Year    = "2019", 
  Title    = "Simulationswerkzeuge im SCM", 
  Author    = "Pütz, Markus PD Dr.", 
  Booktitle    = "Gronau, Norbert ; Becker, Jörg ; Kliewer, Natalia ; Leimeister, Jan Marco ; Overhage, Sven (Herausgeber): Enzyklopädie der Wirtschaftsinformatik – Online-Lexikon",
  Publisher    = "Berlin : GITO",
  Url    = "https://wi-lex.de/index.php/lexikon/inner-und-ueberbetriebliche-informationssysteme/crm-scm-und-electronic-business/supply-chain-management/supply-chain-management-system/simulationswerkzeuge-im-scm/", 
  Note    = "[Online; Stand 28. March 2024]",
}

Simulationswerkzeuge im SCM

Markus Pütz


Simulationswerkzeuge dienen im Supply Chain Management (SCM) zur Entscheidungsunterstützung in den Aufgabengebieten der Gestaltung, Planung und Betriebsführung von Supply Chains und zur Gestaltung von SCM-Systemen.

Arten von Simulationswerkzeugen für das SCM

Zur Simulation im SCM [Thierry, Thomas, Bel 2008, Oliveira, Lima, Montevechi 2016] kann grundsätzlich jede allgemeine Programmiersprache (z.B. FORTRAN, C, Pascal, C++, C#, JAVA, Delphi, Python etc.) genutzt werden. Beispielhaft hierfür sei ein Beitrag von Chang, Chang und Lu erwähnt, in dem die Programmiersprache JAVA in Verbindung mit der integrierten Entwicklungsumgebung NetBeans zur Realisierung eines Simulationswerkzeugs für Plan-spielzwecke in SCM-Lehrveranstaltungen eingesetzt wird [Chang, Chang, Lu 2018, S. 240 ff.]. Indes kommen in praxi nicht zuletzt aus Gründen der Benutzerfreundlichkeit verstärkt Simulationswerkzeuge zum Einsatz, die auf speziellen Simulationssprachen (z.B. SIMSCRIPT oder SIMAN) basieren. Zu einer Differenzierung der im SCM eingesetzten Simulationswerkzeuge wird nachfolgend eine Orientierung an den dort verwendeten Modellierungsansätzen zugrunde gelegt, d.h. den Ansätzen, die zur Erstellung der Simulationsmodelle verwendet werden.

Simulationswerkzeuge auf Basis eines Modellierungsansatzes zur kontinuierlichen Simulation

Bei Simulationswerkzeugen, die auf einen Modellierungsansatz zur kontinuierlichen Simulation beschränkt sind (z.B. iThink, Vensim und Powersim), werden die Bestandteile und das Systemverhalten einer Supply Chain durch mehrere gekoppelte gewöhnliche (nicht-stochastische) Differentialgleichungen repräsentiert [Kuhn 2008, S. 78]. Eine explizite Modellierung von zufallsbedingten Einflüssen (z.B. Nachfrageschwankungen und Produktions- oder Transportmittelstörungen) mithilfe von Zufallsvariablen bleibt beim Einsatz derartiger Simulationswerkzeuge überwiegend unberücksichtigt. Eingesetzt werden sie, orientiert an den Aufgabenbereichen, die von SCM-Systemen berücksichtigt werden, zuvorderst in jenen Aufgabenbereichen, bei denen eine explizite Modellierung zufallsbedingter Einflüsse für eine Validierung des jeweiligen Simulationsmodells denn auch vernachlässigt werden kann. Dies kann in praxi insbesondere für den strategisch ausgerichteten Aufgabenbereich des Netzwerk- und Systemdesigns [Campuzano, Mula 2011, S. 11 i.V.m. S. 51 ff., Liu et al. 2018, S. 3 ff.] und, eher eingeschränkt, für die Ressourcenplanung als taktischem Aufgabenbereich möglich sein. Hinsichtlich der Betriebsführung einer Supply Chain, die den Aufgabenbereich der Prozessausführung betrifft, bei der ungeplante Ereignisse (z.B. Störungen, Sonderaufträge) zu berücksichtigen sind, ist zu prüfen, ob aus Validierungsgründen eine explizite Modellierung entsprechender Zufallsvariablen erforderlich ist oder ein Ansatz pauschaler deterministischer Größen (z.B. Produktionsausschussanteil, Prozesszeitaufschläge) ausreicht. Zufallsbedingt schwankende, zugleich eher seltener auftretende und länger andauernde Störungen erfordern aus Validierungsgründen eine Repräsentation durch Zufallsvariablen [Banks et al. 2014, S. 151 ff.]. Beispielhaft für die noch eher seltene Berücksichtigung stochastischer Modellelemente in Simulationsmodellen, welche mit Simulationswerkzeugen generiert wurden, die beschränkt sind auf den Modellierungsansatz der kontinuierlichen Simulation, sei hier ein Beitrag von Li, Ren und Wang erwähnt. Darin wird das Simulationswerkzeug Vensim zur Simulation dynamischer Risikoeffekte in einer Supply Chain der chemischen Industrie angewendet [Li, Ren, Wang 2016].

Simulationswerkzeuge mit einem Schwerpunkt auf Modellierungsansätzen zur diskreten Simulation

Derartige Simulationswerkzeuge sind im Anwendungskontext des SCM [Cimino, Longo, Mirabelli 2010, S. 2 ff.] am stärksten verbreitet [Oliveira, Lima, Montevechi 2016, S. 715, Fontanili, Castagna, Yannou 2008, S. 299; Kuhn 2008, S. 87 f.]. Dies kann nicht zuletzt darauf zurückgeführt werden, dass sie eine explizite Modellierung von Zufallsvariablen ermöglichen und in allen Aufgabenbereichen des SCM und zur Gestaltung von SCM-Systemen eingesetzt werden können [Fontanili, Castagna, Yannou 2008, S. 307 ff., Bendul 2014, S. 201 ff.]. Diese Simulationswerkzeuge lassen sich im Wesentlichen differenzieren in jene mit einem Schwerpunkt im Bereich der prozessorientierten Simulation, solche, die auf dem Petri-Netz-Konzept basieren, und Simulationswerkzeuge, die (zusätzlich) mit Funktionalitäten zur agentenbasierten Simulation [Ickerott 2007] ausgestattet sind.

Simulationswerkzeuge zur prozessorientierten Simulation

Diese Simulationswerkzeuge (z.B. AnyLogic, Arena, Extend, FlexSim, ProModel, Simio, SIMSCRIPT III, Simul8, Simulink, WITNESS) sind u.a. insbesondere durch ihren zugrunde liegenden prozessorientierten Zeitfortschreibungsmechanismus gekennzeichnet. Zur Steuerung der Veränderung der Systemzustände im Simulationszeitablauf werden mit diesem Zeitfortschreibungsmechanismus wesentliche Bestandteile der ereignisorientierten und der aktivitätsorientierten Zeitfortschreibung aufgegriffen [Liebl 1995, S. 107]. Dabei wird unter einem Prozess eine chronologische Sequenz interdependenter Ereignisse verstanden, die den Durchlauf einer temporären Entität (z.B. ein Kundenauftrag) durch ein System permanenter Entitäten (z.B. die einzelnen Glieder einer Supply Chain) beschreibt [Law 2015, S. 183]. Jeder derartige Prozess umfasst sämtliche Aktivitäten, welche die zugehörige temporäre Entität, ausgehend von ihrem Eintritt ins zugrunde liegende System (z.B. die Supply Chain) bis zu ihrem Systemaustritt durchlebt (durchläuft), und beschreibt daher einen generischen Lebenszyklus der betreffenden temporären Einheit [Liebl 1995, S. 107].

Da die Simulationswerkzeuge zur prozessorientierten Simulation überwiegend auf objektorientierten Programmiersprachen basieren, werden sie verstärkt auch als objektorientierte Simulationswerkzeuge (u.a. Arena, FlexSim und WITNESS) bezeichnet. Ein Großteil der betreffenden prozess- bzw. objektorientierten Simulationswerkzeuge ist zusätzlich mit einem Modellierungsansatz zur kontinuierlichen Simulation ausgestattet und ermöglicht eine kombinierte Anwendung dieser Ansätze in einem Simulationsmodell.

Simulationswerkzeuge auf Basis des Petri-Netz-Konzeptes

Diese Simulationswerkzeuge (z.B. CPN Tools [Jensen, Kristensen 2009, S. 8 ff.]) bilden eine Alternative zu den mit einem prozessorientierten Modellierungsansatz ausgestatteten Simulationswerkzeugen. Die ihnen zugrunde liegenden Petri-Netze eignen sich insbesondere auch zur Berücksichtigung nebenläufiger Prozesse [Zelewski 2008, S. 26 ff.] im SCM [Mazzuto, Bevilacqua, Ciarapica 2012], wie z.B. Monitoring-Prozesse, die unabhängig von Produktions- und Logistikprozessen ablaufen können.

Simulationswerkzeuge mit Funktionalitäten zur agentenbasierten Simulation

Die agentenbasierte Simulation (syn. Multiagentensimulation) [Ickerott 2007, S. 61 ff.] ist insbesondere durch die in entsprechenden Simulationsmodellen repräsentierten Multiagentensysteme gekennzeichnet. Im SCM können z.B. die einzelnen Glieder einer Supply Chain als interagierende Agenten aufgefasst werden [Ezzeddine, Abdellatif, Mounir 2012]. Exklusiv auf die agentenbasierte Simulation ausgerichtete Simulationswerkzeuge sind im Kontext des SCM (z.B. Swarm [Kumar, Srinivasan 2010, S. 199 ff.], Repast Simphony [North et al. 2013, Meng et al. 2017]) wie auch generell in einer bisweilen eher geringen Anzahl vorhanden [AbuKhousa et al. 2014, S. 11]. Neben der Möglichkeit, ein agentenbasiertes Simulationswerkzeug auf Basis einer allgemeinen Programmiersprache, und zwar idealerweise mit Hilfe eines dafür verfügbaren Frameworks, mehr oder weniger aufwendig selbst zu implementieren, kann vielmehr verstärkt auf mehrere der verfügbaren Simulationswerkzeuge zur diskreten Simulation (z.B. die Simulationswerkzeuge AnyLogic, Extend, Simio und Simul8) zurückgegriffen werden, die bereits zusätzlich mit Funktionalitäten zur agentenbasierten Simulation ausgestattet sind [Santa-Eulalia, D’Amours, Frayret 2012, Banks et al. 2014, S. 123, Bakhtadze et al. 2016, S. 1247]. Als Beispiele für mithilfe Java-basierter Frameworks entwickelter Prototypen zur agentenbasierten Simulation im SCM sei verwiesen auf den Prototypen JASSi von Ickerott, basierend auf JADE (für Java Agent Development Framework) [Ickerott 2007, S. 129 ff.], und den Prototypen von Tan et al., der mithilfe des Jadex Active Component Framework implementiert wurde [Tan et al. 2020, S.131 ff.]. Ferner sei das Python-basierte Framework Pynsim erwähnt, das von Knox et al. zur Implementation eines agentenbasierten Simulationswerkzeugs zur Simulation vernetzter Ressourcensysteme verwendet wurde [Knox et al. 2018, S. 18 ff.] und insofern auch für den Anwendungskontext im SCM geeignet ist. Da Multiagentensysteme explizit auch mit Hilfe des Petri-Netz-Konzeptes modelliert werden, dienen auch die zugehörigen Simulationswerkzeuge zur agentenbasierten Simulation [Ahn, Lee 2004].

Literatur

AbuKhousa, Eman; Al-Jaroodi, Jameela; Lazarova-Molnar, Sanja; Mohamed, Nader: Simulation and Modeling Efforts to Support Decision Making in Healthcare Supply Chain Management, IN: The Scientific World Journal, Vol. 2014, 2014, Article ID 354246, S. 1-16.

Ahn, Hyung J.; Lee, Habin: An agent-based dynamic information network for supply chain management. In: BT Technology Journal 22, April 2004, 2, S. 18-27.

Bakhtadze, Nataliya N.; Karsaev, Oleg V.; Smirnova, Gulnara S.; Sabitov, Rustem A.; Morozov, Boris M.; Elizarova, Nataliya U.: Multi-agent Simulation of SWAP BODIES application in manufacturing supply chain. In: IFAC (International Fedaration of Automatic Control), Vol. 49 No. 12, 2016, S. 1245-1250.

Banks, Jerry; Carson II, John S.; Nelson, Barry L.; Nicol, David M.: Discrete-Event System Simulation. 5. Aufl., Harlow : Pearson 2014.

Bendul, Julia: Integration of Combined Transport into Supply Chain Concepts: Simulation-based Potential Analysis and Practical Guidance. Wiesbaden : Springer Gabler 2014.

Campuzano, Francisco; Mula, Jusefa: Supply Chain Simulation: A System Dynamics Approach for Improving Performance. London : Springer 2011.

Chang, Yung-Chia; Chang, Kuei-Hu; Lu, Mei-Te: A Novel Network Simulation Software for Supply Chain Management Courses. In: International Journal of Industrial Engineering, Vol. 25, 2016, No. 2, S. 230-251.

Cimino, Antonio; Longo, Francesco; Mirabelli, Giovanni: A General Simulation Framework for Supply Chain Modeling: State of the Art and Case Study. In: International Journal of Computer Science Issues, Vol. 7, Issue 2, No. 3, March 2010, S. 1-9.

Ezzeddine, Benaissa; Abdellatif, Benabdelhafid; Mounir, Benaissa: An Agent-based framework for cooperation in Supply Chain. In: International Journal of Computer Science Issues, Vol. 9, Issue 5, No. 3, September 2012, S. 77-84.

Fontanili, Franck; Castagna, Pierre; Yannou, Bernard: Software Tools for Simulation. In: Thierry, Caro-line; Thomas, André; Bel, Gérard (Hrsg.): Simulation for Supply Chain Management. London : ISTE, 2008, S. 295-337.

Ickerott, Ingmar: Agentenbasierte Simulation für das Supply Chain Management. Lohmar : Eul 2007.

Jensen, Kurt; Kristensen, Lars M.: Coloured Petri Nets: Modelling and Validation of Concurrent Systems. Dordrecht : Springer 2009.

Knox, Stephen; Meier, Philipp; Yoon, Jim; Harou, Julien J.: A python framework for multi-agent simulation of networked resource systems. In: Environmental Modelling & Software, Vol. 103, 2018, S. 16-28.

Kuhn, Axel: Simulation logistischer Systeme. In: Arnold, Dieter; Isermann, Heinz; Kuhn, Axel; Tempelmeier, Horst; Furmans, Kai (Hrsg.): Handbuch Logistik. 3. Auflage. Berlin : Springer 2008, S. 73-94.

Kumar, Vivek; Srinivasan, S.: A Review of Supply chain Management using Multi-Agent System. In: International Journal of Computer Science Issues, Vol. 7, Issue 5, September 2010, S. 198-205.

Law, Averill M.: Simulation Modeling and Analysis. 5. Aufl., New York, NY : Mc Graw Hill 2015.

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Liebl, Franz: Simulation. 2. Auflage. München : Oldenbourg 1995.

Liu, Yiyun; Zhao, Riu; Wu, Kuo-Jui; Huang, Tao; Chiu, Anthony S. F.; Cai, Chenyi: A Hybrid of Multi-Objective Optimization and System Dynamics Simulation for Straw-to-Electricity Supply Chain Management under the Belt and Road Initiatives. In: Sustainability, Vol. 10, 2018, Iss. 3, p 868, S. 1-17.

Meng, Qingfeng; Li, Zhen; Liu, Huimin, Chen, Jingxian: Agent-based simulation of competitive performance for supply chains based on combined contracts. In: International Journal of Production Economics, Vol. 193, 2017, S. 663-676.

Mazzuto, Giovanni; Bevilacqua, Maurizio; Ciarapica, Filippo Emanuele: Supply chain modelling and managing, using timed coloured Petri nets: a case study. In: International Journal of Production Research, Vol. 50, No. 16, 15 August 2012, S. 4718-4733.

North, Michael J.; Collier, Nicholson T.; Ozik, Jonathan; Tatara, Eric R.; Macal, Charles M.; Bragen, Mark; Sydelko, Pam: Complex adaptive systems modeling with Repast Simphony. In: Complex Adaptive Systems Modeling, Vol. 1 No. 3, 2013, S. 1-26, doi:10.1186/2194-3206-1-3.

Oliveira, Josenildo Brito; Lima, Renato Silva; Montevechi, José Arnaldo Barra: Perspectives and relationships in Supply Chain Simulation: A systematic literature review. In: Simulation Modelling Practice and Theory, Vol. 62, 2016, S. 166-191.

Santa-Eulalia, Luis Antonio; D’Amours, Sophie; Frayret, Jean-Marc: Agent-based simulations for advanced supply chain planning and scheduling: The FAMASS methodological framework for requirements analysis. In: International Journal of Computer Integrated Manufacturing, Vol. 25, No. 10, October 2012, 963-980.

Tan, Jing; Xu, Rongjun; Chen, Kai; Braubach, Lars; Jander, Kai; Pokahr, Alexander: Multi-agent System for Simulation of Response to Supply Chain Disruptions. In: Kotenko, Igor; Badica, Costin; Desnitsky, Vasily; El Baz, Didier; Ivanovic, Mirjana (Hrsg.): Intelligent Distributed Computing XIII: Studies in Computational Intelligence, Vol. 868. Cham: Springer, 2020, S. 128-139.

Thierry, Caroline; Thomas, André; Bel, Gérard: (Hrsg.): Simulation for Supply Chain Management. London : ISTE, 2008.

Zelewski, Stephan: Operatives Controlling von Produktionsprozessen mithilfe von zahlungsorientierten F-Produktionsfunktionen und PETRI-Netzen. In: Pütz, Markus; Böth, Thorsten; Arendt; Volker (Hrsg.): Controllingbeiträge im Spannungsfeld offener Problemstrukturen und betriebspolitischer Herausforderungen. Lohmar : Eul 2008, S. 17-54.

 

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