Bibtex

@InCollection{,
  Year    = "2019", 
  Title    = "Normungs- und Standardisierungsorganisationen", 
  Author    = "Sinz, Prof. Dr. Elmar", 
  Booktitle    = "Gronau, Norbert ; Becker, Jörg ; Kliewer, Natalia ; Leimeister, Jan Marco ; Overhage, Sven (Herausgeber): Enzyklopädie der Wirtschaftsinformatik – Online-Lexikon",
  Publisher    = "Berlin : GITO",
  Url    = "https://wi-lex.de/index.php/lexikon/technologische-und-methodische-grundlagen/informatik-grundlagen/normungs-und-standardisierungsorganisationen/", 
  Note    = "[Online; Stand 19. April 2024]",
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Normungs- und Standardisierungsorganisationen

Normen und Standards stellen wichtige Erfolgsfaktoren für Wirtschaft und Gesellschaft dar. Die Entwicklung von Normen obliegt autorisierten Normungsorganisationen auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene. Daneben existieren Standardisierungsorganisationen, z. B. Konsortien von Herstellern und Anwendern, die Standards für bestimmte Technologiefelder entwickeln.

Grundlagen der Normung und Standardisierung

Normen und Standards stellen wichtige Erfolgsfaktoren für Wirtschaft und Gesellschaft dar: Sie fördern den weltweiten Handel und dienen der Rationalisierung, der Qualitätssicherung, dem Schutz der Gesellschaft, der Sicherheit und der Verständigung. Normen und Standards bilden eine Wissensbasis und einen Katalysator für Innovationen. Darüber hinaus führen Normen und Standards zu Kosteneinsparungen bei Beschaffung, Produktion und Vertrieb von Sachgütern und Dienstleistungen. Die Deutsche Normungsstrategie, in den Jahren 2003 und 2004 von Vertretern aus Wirtschaft, Politik, Forschung und Normung erarbeitet, drückt diese Zusammenhänge in ihrer Vision aus: „Normung und Standardisierung in Deutschland dienen Wirtschaft und Gesellschaft zur Stärkung, Gestaltung und Erschließung regionaler und globaler Märkte.“ [DIN 2017].

Ökonomische Aspekte von Standards

Aus ökonomischer Sicht führt der Einsatz von Standards zunächst zu Entwicklungs- und Einführungskosten. Demgegenüber stehen Kosten- und Zeiteinsparungen aufgrund verbesserter Kompatibilität. Standards stellen so genannte Netzeffektgüter dar, d. h. der Nutzen eines Standards für den jeweiligen Anwender steigt mit der Anzahl seiner sonstigen Nutzer [Buxmann 2001]. Zu einer Modellierung des Standardisierungsproblems als Entscheidungsmodell siehe [Buxmann, König 1998].

Norm versus Standard

DIN EN 45020 definiert den Begriff Norm als „Dokument, das mit Konsens erstellt und von einer anerkannten Institution angenommen wurde und das für die allgemeine und wiederkehrende Anwendung Regeln, Leitlinien oder Merkmale für Tätigkeiten oder deren Ergebnisse festlegt (…)“ [DIN 2017b]. Eine Norm wird in einem festgelegten Prozess innerhalb einer Normungsorganisation entwickelt. Sie kann sich sowohl auf Gegenstände als auch auf Verfahren beziehen.
Eine Norm stellt somit einen speziellen Standard dar, an dessen Entwicklung besondere Anforderungen hinsichtlich Konsens und Autorisierung gestellt werden. Entwürfe von Normen werden öffentlich zur Diskussion gestellt und von einer autorisierten Normungsorganisation verabschiedet und veröffentlicht. Im Gegensatz dazu kann ein Standard z. B. durch ein Konsortium von Unternehmen oder auch von einem einzelnen Unternehmen entwickelt werden.
Gleichwohl stellen Normen Empfehlungen dar, deren Anwendung auf freiwilliger Basis erfolgt. Eine Anwendungspflicht kann sich ergeben, wenn auf Normen oder auch auf Standards in Rechtsvorschriften oder Verträgen Bezug genommen wird [Kiehl 2008, S. 17].

Normungsorganisationen

Normungsorganisationen sind auf nationaler, regionaler (z. B. europäischer) und internationaler (globaler) Ebene eingerichtet [de Vries 2006, S. 11 ff.]. Nationale Normungsorganisationen sind z. B. ANSI (American National Standards Institute), BSI (British Standards Institution) und für Deutschland das DIN (Deutsches Institut für Normung). Eine regionale Normungsorganisation für Europa ist das CEN (European Committee for Standardization). Internationale Normungsorganisationen sind ISO (International Organization for Standardization), IEC (International Electrotechnical Commission) und ITU (International Telecommunication Union).

Deutsches Institut für Normung (DIN)

Das DIN, im Jahr 1917 als Normenausschuss der deutschen Industrie gegründet, erarbeitet Normen und Standards als Dienstleistung für Wirtschaft, Staat und Gesellschaft [DIN 2017c]. DIN ist privatwirtschaftlich als gemeinnütziger Verein organisiert. Mitglieder sind Unternehmen und andere juristische Personen. Die Hauptaufgabe des DIN besteht darin, gemeinsam mit den Vertretern der interessierten Kreise konsensbasierte Normen markt- und zeitgerecht zu entwickeln. Aufgrund eines Vertrages mit der Bundesrepublik Deutschland ist das DIN als die nationale deutsche Normungsorganisation in den europäischen und internationalen Normungsorganisationen anerkannt. Fast 90 Prozent der Normungsarbeit des DIN ist international ausgerichtet.

Entstehung einer DIN-Norm

Die Entstehung einer nationalen Norm ist in Abb. 1 dargestellt. Sie beginnt mit einem begründeten Normungsantrag, den jedermann stellen kann und der möglichst bereits einen konkreten Vorschlag enthalten soll. Im nächsten Schritt klärt der zuständige Ausschuss des DIN, ob ein Bedarf an der Norm besteht und auf welcher Ebene die Normung erfolgen soll (national, europäisch oder international). Sofern sinnvoll, ist eine Bearbeitung auf internationaler oder europäischer Ebene vorzuziehen. Werden auf europäischer Ebene zum gleichen Thema bereits Normungsarbeiten durchgeführt, so müssen nationale Aktivitäten aufgrund einer Stillhalteverpflichtung unterbleiben.

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Abb. 1: Entstehung einer nationalen Norm [Hartlieb 2013, S. 30]

An dieser Stelle wird die Öffentlichkeit über die Aufnahme der Normungsarbeiten informiert und kann hierzu Stellung nehmen. Sofern die Entscheidung zugunsten einer nationalen Norm gefallen ist, wird nun anhand einer Norm-Vorlage ein erstes Manuskript für einen Norm-Entwurf erstellt. Dieser wird ggf. mehrfach überarbeitet bis Konsens erreicht wird, den Norm-Entwurf öffentlich zu Diskussion zu stellen. Die Stellungnahmen werden vom zuständigen Ausschuss unter Hinzuziehung der Stellungnehmenden beraten, bis Konsens über den Inhalt der geplanten Norm erzielt wird. Das Manuskript für die Norm wird schließlich als DIN-Norm veröffentlicht. Die Normungsarbeit wird an verschiedenen Stellen durch die Normenprüfstelle des DIN begleitet. Stellungnehmende, deren Einwänden vom zuständigen Ausschuss nicht hinreichend gefolgt wird, können ein Schlichtungs- oder Schiedsverfahren beantragen.
Nationale deutsche Normen werden mit dem Kürzel DIN, gefolgt von einer nichtklassifizierenden Nummer, bezeichnet [DIN 2017c] (z. B. DIN 1505-2).

European Committee for Standardization (CEN)

CEN [CEN 2017], gegründet im Jahr 1961, ist eine regionale Normungsorganisation für Europa. Mitglieder von CEN sind die Normungsorganisationen der europäischen Staaten und der Länder der europäischen Freihandelsassoziation sowie assoziierte Mitglieder, die industrielle Branchen und andere Interessensgruppen vertreten. CEN stellt eine gemeinnützige Organisation dar. Europäische Normen werden über die jeweiligen nationalen Normungsorganisationen veröffentlicht.
Die deutsche Ausgabe einer europäischen Norm, die unverändert von allen Mitgliedern europäischer Normungsorganisationen übernommen wurde, wird mit DIN EN <Nummer> bezeichnet.

International Organization for Standardization (ISO)

ISO [ISO 2017], gegründet im Jahr 1947, ist eine Vereinigung der nationalen Normungsorganisationen von derzeit 163 Ländern, wobei jedes Land ein Mitglied stellt. Damit ist ISO die weltgrößte internationale Normungsorganisation. ISO ist als nicht-staatliche Organisation aufgebaut. Gemeinsam mit IEC und ITU arbeitet ISO in der im Jahr 2001 gegründeten World Standards Cooperation (WSC) zusammen.
DIN ISO <Nummer> bezeichnet eine internationale Norm, die unverändert in das deutsche Normenwerk übernommen wurde, DIN EN ISO <Nummer> die deutsche Ausgabe einer europäischen Norm, die mit einer internationalen Norm identisch ist.

Standardisierungsorganisationen

Neben den autorisierten Normungsorganisationen existieren Standardisierungsorganisationen, die in der Regel als Konsortien von Interessensvertretern (z. B. Hersteller, Anwender) gebildet sind. Nachfolgend werden drei ausgewählte Standardisierungsorganisationen kurz charakterisiert.

World Wide Web Consortium (W3C)

Das W3C [W3C 2017] ist ein internationales Konsortium, in dem die Mitgliedsorganisationen, ein fest angestelltes Team von Mitarbeitern und die Öffentlichkeit gemeinsam an der Entwicklung von Web-Standards arbeiten. Seit seiner Gründung im Jahr 1994 hat das W3C viele offene (nicht-proprietäre) Standards veröffentlicht. Ziel ist es, ein langfristiges Wachstum des Web zu sichern und eine Fragmentierung des Web zu vermeiden. Die W3C-Standards lassen sich folgenden Bereichen zuordnen: Web Design and Applications, Web Architecture, Semantic Web, XML Technology, Web of Services, Web of Devices, Browsers and Authoring Tools.

Organization for the Advancement of Structured Information Standards (OASIS)

OASIS [OASIS 2017] ist ein gemeinnütziges Konsortium zur Förderung der Entwicklung, der Konvergenz und der Einführung offener Standards im Umfeld von Web-Services. OASIS wurde 1993 unter dem Namen SGML Open als Vereinigung von Anbietern und Verbrauchern gegründet, um Richtlinien für die Interoperabilität von Systemen auf Basis der Auszeichnungssprache SGML zu entwickeln. Mit der zunehmenden Verbreitung der Sprache XML und der zugehörigen Standards erfolgte 1998 die Umbenennung in OASIS.
Zu den von OASIS betreuten Standards gehören u. a. WS-BPEL (Web Sevices Business Process Execution Language) und eine Reihe von ebXML-Standards.

Object Management Group (OMG)

Die OMG [OMG 2017], gegründet im Jahr 1989, ist ein internationales, offenes und gemeinnütziges Konsortium der Computer-Industrie. Arbeitsgruppen der OMG entwickeln Standards im Bereich der Unternehmensintegration für ein breites Spektrum von Technologien und Branchen. Alle Spezifikationen sind auf den Webseiten der OMG frei verfügbar. Jede beliebige Organisation kann sich der OMG anschließen und so an Standardisierungsprozessen teilnehmen. Dabei hat jede Organisation unabhängig von ihrer Größe genau eine Stimme.
Zu den von der OMG betreuten Standards gehören u. a. CORBA (Common Object Request Broker Architecture), UML (Unified Modeling Language), MOF (Meta-Object Facility) und MDA (Model Driven Architecture).


Literatur

Buxmann, Peter: Standards und Standardisierung. In: Mertens, Peter (Haupthrsg.): Lexikon der Wirtschaftsinformatik. 4. Auflage. Berlin : Springer , 2001, S. 434 – 435.

Buxmann, Peter ; König, Wolfgang: Das Standardisierungsproblem: Zur ökonomischen Auswahl von Standards in Informationssystemen. In: WIRTSCHAFTSINFORMATIK 40 (1998) 2, S. 122 – 129.

CEN: http://www.cen.eu. 2017 (Abruf 30.10.2017).

De Vries, Henk: Fundamentals of Standards and Standardization. In: Hesser, Wilfried ; Feilzer, Albert ; de Vries, Henk: Standardisation in Companies and Markets. Hamburg : Helmut Schmidt University Hamburg, 2006, S. 1 – 33.

DIN: Deutsche Normungsstrategie. DIN Deutsches Institut für Normung e.V., 2017. https://www.din.de/de/din-und-seine-partner/din-e-v/deutsche-normungsstrategie (Abruf 30.10.2017).

DIN: https://www.beuth.de/de/norm/din-en-45020/95609390. 2017b (Abruf 30.10.2017).

DIN:https://www.din.de/de/ueber-normen-und-standards. 2017c (Abruf 30.10.2017).

Hartlieb, Bernd ; Müller, Norbert ; Schröder, Burkhard : Normung für Kleinunternehmen ausr Industrie und Handwerk, 1. Auflage, Beuth Verlag GmbH, Berlin Wien Zürich, 2013.

ISO: http://www.iso.org/iso/about.htm. 2017 (Abruf 30.10.2017).

Kiehl, Peter.: Normung. In: Klein: Einführung in die DIN-Normen. 14. Auflage. Stuttgart : B.G. Teubner, 2008, S. 13 – 17.

OASIS: http://www.oasis-open.org/who/. 2017 (Abruf 30.10.2017).

OMG: http://www.omg.org/. 2017 (Abruf 30.10.2017).

W3C: http://www.w3.org/. 2017 (Abruf 30.10.2017).

 

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