Bibtex

@InCollection{,
  Year    = "2019", 
  Title    = "Internet der Dinge", 
  Author    = "Fleisch, Prof. Dr. ElgarThiesse, Dr. Frédéric", 
  Booktitle    = "Gronau, Norbert ; Becker, Jörg ; Kliewer, Natalia ; Leimeister, Jan Marco ; Overhage, Sven (Herausgeber): Enzyklopädie der Wirtschaftsinformatik – Online-Lexikon",
  Publisher    = "Berlin : GITO",
  Url    = "https://wi-lex.de/index.php/lexikon/technologische-und-methodische-grundlagen/rechnernetze-und-kommunikationssysteme/internet/internet-der-dinge/", 
  Note    = "[Online; Stand 29. March 2024]",
}

Internet der Dinge

Das “Internet der Dinge” bezeichnet die Idee eines erweiterten Internet, welches neben klassischen Rechnern und mobilen Endgeräten auch beliebige physische Gegenstände mittels Sensoren und Aktuatoren in seine Infrastruktur einbindet und so zu Anbietern bzw. Konsumenten verschiedenster digitaler Dienste macht.

Technische Grundlagen

Die Idee eines “Internets der Dinge” hat seine Ursprünge in den Konzepten des Anfang der 90er Jahre von Mark Weiser skizzierten “Ubiquitous Computing” [Weiser 1991, 1993], welche in den Folgejahren von anderen Forschern aufgegriffen und weiterentwickelt wurden. Grundgedanke des Ubiquitous Computing ist – ebenso wie der nahezu deckungsgleichen Begriffe “Pervasive Computing” [Satyanarayanan 2001, Estrin et al. 2002], “Things that think” [Gershenfeld 1999] oder “Ambient Intelligence” [Aarts et al. 2002] – eine Erweiterung beliebiger physischer Gegenstände über ihre bestehende Form und Funktion hinaus durch mikroelektronische Komponenten. Die so entstehenden “smarten” Gegenstände bilden, mit digitaler Logik, Sensorik und der Möglichkeit zur Vernetzung ausgestattet, ein Internet der Dinge, in dem der Computer als eigenständiges Gerät verschwindet und in den Objekten der physischen Welt aufgeht [Gellersen et al. 2000, ITU 2005, Mattern 2005].

Aus technischer Sicht steht hinter dem Internet der Dinge weniger eine einzelne Technologie oder eine spezifische Funktionalität als vielmehr ein Funktionsbündel, welches in seiner Gesamtheit eine neue Qualität der Informationsverarbeitung entstehen lässt. Hierzu zählt die Radiofrequenzidentifikation (RFID) ebenso wie drahtlose Sensoren zur Umweltdatenerfassung und neuere Lokalisierungsverfahren jenseits von GPS. Zu den charakteristischen Eigenschaften smarter Objekte im erweiterten Internet zählen:

  • Identifikation: Objekte im Internet der Dinge sind über ein Nummerierungsschema eindeutig identifizierbar. Die Identifikation ermöglicht die Verknüpfung des Objekts mit Diensten bzw. einem “Datenschatten”, d.h. Informationen zu dem Objekt, die auf einem entfernten Server im Netz hinterlegt sind.

  • Kommunikation: Im Gegensatz zu herkömmlichen elektronischen Geräten verfügen Objekte im Internet der Dinge über die Möglichkeit zur Vernetzung mit Ressourcen im Netz oder sogar untereinander, um Daten und Dienste gegenseitig zu nutzen.

  • Sensorik: Das Objekt sammelt Informationen über seine Umwelt (Temperatur, Lichtverhältnisse, andere Objekte und Personen usw.), zeichnet diese auf und/oder reagiert darauf.

  • Lokalisierung: Smarte Objekte kennen ihren Aufenthaltsort oder sind für andere lokalisierbar, bspw. auf globaler Ebene durch GPS oder in Innenräumen durch Ultraschall.

  • Speicher: Das Objekt verfügt über Speicherkapazität, so dass es bspw. Informationen über seine Vergangenheit oder Zukunft mit sich tragen kann.

  • Aktuatorik: Objekte im Internet der Dinge können unter Umständen selbständig Entscheidungen ohne übergeordnete Planungsinstanz treffen, z.B. im Sinne eines Industriecontainers, der seinen Weg durch die Lieferkette selbst bestimmt.

  • Benutzerschnittstelle: Mit dem Aufgehen des Computers im physischen Gegenstand stellen sich auch neue Anforderungen an die Benutzeroberfläche, die meist nicht mehr durch Tasten und Displays realisiert werden kann. Vielmehr braucht es hier neuartige Benutzungsmetaphern analog der Maus & Fenstermetapher graphischer Benutzeroberflächen.

Im Zusammenhang mit der RFID-Technologie wird das “Internet der Dinge” in einem engeren Sinn auch häufig als Synonym für das EPC-Netzwerk verwendet, eine weltweite Infrastruktur zum Austausch von RFID-Daten in Lieferketten [Sarma et al. 2000, Thiesse/Michahelles 2006]. Das EPC-Netzwerk als eine mögliche Instanz des Internet der Dinge baut auf einer Reihe von Soft- und Hardware-Standards rund um den “Electronic Product Code” zur eineindeutigen Warenkennzeichnung auf, die von der Industrieorganisation EPCglobal in Zusammenarbeit mit mehreren internationalen Forschungsinstituten, den sog. “Auto-ID Labs”, entwickelt wurde. Die technischen Standards im EPC-Netzwerk umfassen sowohl die Luftschnittstelle zwischen RFID-Transponder und -Lesegerät als auch weitere Schnittstellen zur Weiterverarbeitung und Bereitstellung über einen “EPC Information Service (EPCIS)” (s. Abb. 1).

EPCNetwork

Abb. 1: Architektur des EPC-Netzwerks [Traub et al. 2005]

Betriebswirtschaftliche Implikationen

Aus Sicht der Wirtschaftsinformatik liegt der betriebswirtschaftliche Nutzeneffekt eines Internets der Dinge in der zunehmenden Integration physischer Warenflüsse mit den korrespondierenden Informationsflüssen in den Anwendungssystemen eines Unternehmens.  Zwischen die Datenerfassung rund um ein physisches Objekt und dessen Abbild im System treten ubiquitäre Informationstechnologien als Vermittler zwischen realer und digitaler Welt (s. Abb. 2). Klassische Medienbrüche durch manuelle oder halbautomatische Datenerfassung werden so vermieden und Integrationskosten reduziert. Die digitale Komponente am physischen Objekt erlaubt beispielsweise die automatische Verbuchung von Wareneingängen, die Überwachung von Beständen im Lager oder Verkaufsregal in Echtzeit sowie die genaue Lokalisierung von Produktionslosen in der Fertigung. Mittels Sensorik und Aktuatorik besteht ferner die Möglichkeit, verschiedene Zustandsänderungen zu erkennen oder auch herbeizuführen. Entscheidungen im Prozess können somit auf Grund faktenbasierter Echtzeitdaten aus der Realität anstelle von Statstiken bzw. Extrapolationen automatisch getroffen und ausgeführt werden [Fleisch/Dierkes 2003].

UbiComp2

Abb. 2: Integration von realer und virtueller Welt [Fleisch et al. 2005]

Das Internet der Dinge bietet darüber hinaus Möglichkeiten, ein Produkt mit ertragsträchtigen Dienstleistungen im Netz zu verknüpfen [Fano/Gershman 2002, Ferguson 2002, Allmendinger/Lombreglia 2006]. Ein Beispiel hierfür liefert das Unternehmen Chep, der weltgrößte Paletten- und Container-Pool-Operator, welcher die mittels RFID gesammelten Daten über seine über 250 Millionen wiederverwendbaren Paletten nutzt, um seinen Kunden nicht nur Transportmittel, sondern auch Logistikinformationsservices zur Verfügung stellen zu können [Vitzthum/Konsynski 2008].


Literatur

Aarts, E.; Harwig, R.; Schuurmans, M.: Ambient Intelligence. In: Denning, P.J. (Hrsg.) The invisible future – the seamless integration of technology in everyday life. Columbus, OH: McGraw-Hill, 2002, S. 235-250.

Allmendinger, G.; Lombreglia, R.: Four Strategies for the Age of Smart Services. Harvard Business Review, 83 (2005), Nr. 10, S. 131-145.

Estrin D, Culler D, Pister K, Sukhatme G.: Connecting the Physical World with Pervasive Networks. IEEE Pervasive Computing – Mobile and Ubiquitous Systems, 1 (2002), Nr. 1, S. 59-69.

Fano, A.; Gershman, A.: The future of business services in the age of ubiquitous computing. Communications of the ACM, 45 (2002), Nr. 12, S. 83-87.

Ferguson G.T.: Have Your Objects Call My Objects. Harvard Business Review, 80 (2002), Nr. 6, S. 138-144.

Fleisch, E.; Christ, O.; Dierkes, M.: Die betriebswirtschaftliche Vision des Internets der Dinge. In: Fleisch, E.; Mattern, F. (Hrsg.): Das Internet der Dinge. Heidelberg : Springer, 2005, S. 3-37.

Fleisch, E.; Dierkes, M.: Ubiquitous Computing aus betriebswirtschaftlicher Sicht. Wirtschaftsinformatik 45 (2003), Nr.6, S. 661-620.

Gellersen, H.-W.; Schmidt, A.; Beigl, M.: Adding Some Smartness to Devices and Everyday Things. IEEE Workshop on Mobile Computing Systems and Applications (WMCSA), 7.-8. Dezember 2000, Monterrey, CA, USA.

Gershenfeld, N.: When things start to think. New York : Holt, 1999.

ITU: The Internet of Things. International Telecommunications Union, Genf, Schweiz, 2005.

Mattern, F.: Die technische Basis für das Internet der Dinge. In: Fleisch, E.; Mattern, F. (Hrsg.): Das Internet der Dinge. Heidelberg : Springer, 2005, S. 39-66.

Sarma, S.; Brock, D.L.; Ashton, K.: The Networked Physical World, Proposals for Engineering the Next Generation of Computing, Commerce & Automatic-Identification. Auto-ID Center White Paper, MIT, Cambridge, MA, USA, 2000.

Satyanarayanan M.: Pervasive Computing: Vision and Challenges. IEEE Personal Communications, 8 (2001), Nr.4, S. 10–17.

Thiesse, F.; Michahelles, F.: An Overview of the EPC Network. Sensor Review 26 (2006), Nr.2, S. 101-105.

Traub, K.; Allgair, G.; Barthel, H.; Burstein, L.; Garrett, J.; Hogan, B.; Rodrigues, B.; Sarma, S.; Schmidt, J.; Schramek, C.; Stewart, R.; Suen, K.K.: The EPCglobal Architecture Framework. EPCglobal Inc., Lawrenceville, NJ, USA, 2005.

Vitzthum, S.; Konsynski, B.: CHEP: The Net of Things. Communications of the AIS, 22 (2008), S. 485-500.

Weiser M.: The Computer for the 21st Century. Scientific American, 265 (1991), Nr.3, S. 66–75.

Weiser M.: Ubiquitous Computing. IEEE Computer, 26 (1993), Nr.10, S. 71–72

 

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