Bibtex

@InCollection{,
  Year    = "2019", 
  Title    = "Modellbasierte Einführung von Standardsoftware", 
  Author    = "Strahringer, Prof. Dr. Susanne", 
  Booktitle    = "Gronau, Norbert ; Becker, Jörg ; Kliewer, Natalia ; Leimeister, Jan Marco ; Overhage, Sven (Herausgeber): Enzyklopädie der Wirtschaftsinformatik – Online-Lexikon",
  Publisher    = "Berlin : GITO",
  Url    = "https://wi-lex.de/index.php/lexikon/entwicklung-und-management-von-informationssystemen/einsatz-von-standardanwendungssoftware/modellbasierte-einfuehrung-von-standardsoftware/", 
  Note    = "[Online; Stand 27. April 2024]",
}

Modellbasierte Einführung von Standardsoftware

Susanne Strahringer


Insbesondere durch die Bereitstellung von herstellerspezifischen Referenzmodellen, die u.a. die Funktionalität eines Standardsoftwaresystems beschreiben, können diese Systeme modellbasiert eingeführt werden. Mit der Umstellung von Standardsoftwaresystemen auf serviceorientierte Architekturen steigt ihre modellbasierte Anpassbarkeit.

Einführung von Standardsoftware

Trotz der Vorteile von Standardsoftware stellt ihre Einführung bei vielen Unternehmen eine Herausforderung dar.  Im Gegensatz zu individuell entwickelter Software erfüllt Standardsoftware in der Regel einerseits nicht alle Anforderungen eines spezifischen Unternehmens, andererseits bietet sie in der Regel auch Funktionalität, die nicht benötigt wird. Beide Aspekte führen dazu, dass bei der Einführung Anpassungen vorgenommen werden müssen: Anforderungslücken sind zu schließen und aus alternativen Funktionalitäten ist eine Auswahl zu treffen. Dabei sind Anpassungen sowohl der Software als auch Veränderungen beim einführenden Unternehmen unvermeidbar. Standardsoftwareeinführungen werden daher oftmals als Projekte der Organisationsgestaltung, die in ein organisationales Change Management einzubetten sind, betrachtet.

Einsatz von Modellen

Prinzipiell sollte die Entscheidung über den Einsatz von Standardsoftware und die konkrete Auswahl eines Produktes nach der Anforderungsdefinition erfolgen. In dieser Hinsicht unterscheidet sich also eine Standardsoftwareeinführung zunächst nicht fundamental von einer unternehmensspezifischen Individualsoftwareentwicklung, so dass Modelle zur Erhebung von Anforderungen wie bei herkömmlichen Softwareentwicklungsprojekten zum Einsatz kommen können. Die Ergebnisse einer solchen Vorbereitung sollten dann auch Eingang in die Softwareauswahl finden.

Im weiteren Projektverlauf können Modelle insbesondere benutzt werden, um einen Abgleich zwischen den Gegebenheiten des ausgewählten Softwaresystems und denen des betrieblichen Umfelds vorzunehmen. Diese Form der Nutzung von Modellen hat insbesondere durch die zunehmende Prozessorientierung in der Organisationsgestaltung (Prozessmanagement) und die Bereitstellung von Referenzmodellen seitens der Standardsoftwarehersteller Verbreitung gefunden. Der Standardsoftwarehersteller SAP ist hier als Vorreiter zu betrachten.

Referenzmodellbasierte Einführung

Erst seit Bereitstellung des SAP-Referenzmodells, d.h. einer Dokumentation der SAP-Systemen zugrunde liegenden Strukturen (Prozesse, Daten, Organisation) in Form von Modellen, kann von einer referenzmodellbasierten Einführung gesprochen werden. Sie hat ihre Anfänge in den frühen 90er Jahren [Boll 1993]. Zunächst in Form von Faltplänen bereitgestellt, später im R/3-System selbst und schließlich als Content von Modellierungswerkzeugen werden diese Referenzmodelle im Einführungsprozess benutzt, um eine Annäherung zwischen Organisation und System in Richtung eines Sollmodells herbeizuführen. Hierbei unterscheiden [Hansmann, Neumann 2008, S. 361-362] drei grundlegende Vorgehensweisen (siehe Abbildung 1):

  1. Referenzmodell oder

  2. Idealmodell oder

  3. Istmodell als Ausgangspunkt für Sollmodell.

Die erste Vorgehensweise wird üblicherweise von Standardsoftwareherstellern empfohlen, da sie die geringsten Risiken hinsichtlich Einführungsdauer und softwaretechnischer Umsetzbarkeit birgt. Die Begrifflichkeiten des neuen Systems werden zudem unmittelbar in der Modellierung berücksichtigt. Nachteile sind eine starke Bindung an einen spezifischen Hersteller, das ggf. hohe Ausmaß erforderlicher Anpassungen der Unternehmensgegebenheiten an die Vorgaben eines Softwaresystems sowie das Übersehen potenzieller Chancen einer Neugestaltungen unabhängig von technischen und organisatorischen Restriktionen. Letzteres wird bei Ansatz 2 versucht, wobei in der Regel der Ist-Zustand in die Entwicklung eines Idealmodells einfließt. Diese Vorgehensweise ähnelt am ehesten der idealtypischen Entwicklung einer Individualsoftware. Ansatz 3 schließlich versucht ausgehend von einem Istmodell einen Abgleich mit dem Referenzmodell herbeizuführen. Aufgrund des großen Aufwandes einer Istmodellierung wird dieser Ansatz in der Regel nur verfolgt, wenn bereits Istmodelle existieren.

 Modellbasierte Einführung von Standardsoftware Abb. 1

Abb. 1: Vorgehensweisen zur Sollmodellierung (in Anlehnung an [Hansmann, Neumann 2008, S. 360])

Bei dieser Art der referenzmodellbasierten Einführung stehen insbesondere Prozessmodelle im Vordergrund.

Trotz der immer besser werdenden Unterstützung durch Modellierungs- und Einführungswerkzeuge und der unbestrittenen Verbesserung des Einführungsprozesses durch die Referenzmodellnutzung [Scheer, Habermann 2000] ist es nicht möglich, aus einem Sollmodell ein automatisiertes Customizing anzustoßen. Auch wenn sich Forscher nach wie vor an der Schließung dieser Lücke versuchen, so sind entscheidende Fortschritte hinsichtlich der Automatisierbarkeit erst mit Verbreitung der Serviceorientierung zu erwarten. Auf einer Serviceorientierten Architektur basierende Standardsoftwaresysteme erlauben eine bessere Anpassung auf Prozessebene. Dies reduziert den erheblichen Abstraktionssprung zwischen Prozessmodell und Customizing, da ein Teil der Anpassungen unmittelbar auf Prozessebene erfolgen kann. Standardsoftwarebasierte Prozesse werden wieder freier gestaltbar, was die prozessbasierte Modellierung im Kontext der Standardsoftwareeinführung erheblich aufwertet.


Literatur

Boll, Martin: Prozeßorientierte Implementation des SAP Softwarepaketes. In: WIRTSCHAFTSINFORMATIK 35 (1993), Nr. 5, S. 418-423.

Hansmann, Holger ; Neumann, Stefan: Prozessorientierte Einführung von ERP-Systemen. In: Becker, Jörg (Hrsg.) ; Kugeler, Martin (Hrsg.) ; Rosemann, Michael (Hrsg.): Prozessmanagement: Ein Leitfaden zur prozessorientierten Organisationsgestaltung. 6. Auflage. Berlin : Springer 2008, S. 329-372.

Scheer, August-Wilhelm ; Habermann, Frank: Making ERP a Success. In: Communications of the ACM 43 (2000), Nr. 4, S. 57-61.

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